Meine beiden Zimmerkameraden reisten heute früh ab. Das ist einerseits schade, andererseits aber auch ganz angenehm für eine zielorientierte, unabhängige Tagesplanung.
Bei mir stand heute auf dem Plan, das Shinagawa Aquarium:
Meine Hand fühlte sich reichlich abgenagt an:
Danach war ich auf dem Tokyo Tower und habe die wunderschöne Aussicht auf die Stadt genossen …
Mein Highlight des Tages – und auch der Grund, warum ich zuerst nach Tokio und nicht in das näher gelegene Kyoto gereist bin – war die Tattoo Convention Tokio 2014:
Ich war enttäuscht und beeindruckt zugleich. In Deutschland habe ich bereits ein paar Tattoo Conventions besucht, u.a. die großen in Berlin und Frankfurt, mit hunderten von Ständen und Tätowierern. Ähnliches habe ich nun auch von Tokio erwartet. Aber weit gefehlt: es war sehr überschaubar, dafür mit 45€ verhältnismäßig teuer. Was mich aber freute: die Convention war stärker ausgerichtet auf den japanischen Stil – natürlich. Und die Qualität der Tätowierer und Arbeiten war sehr hoch:
Der große Meister Shige bei der Arbeit:
Witzigerweise kam ich mit einem Redakteur des deutschen Tätowiermagazins ins Gespräch. Und hier merkt man wieder, wie klein diese Welt doch ist: Er kennt meinen Berliner Tätowierer, wohnt knapp 200m von seinem Studio entfernt und kommt öfter mal zum Fachsimpeln oder einem Feierabend-Bier vorbei. Im letzten Jahr sind sie sogar gemeinsam hierher zur Convention gereist. – Tja, egal wie weit man wegreist, die Heimat holt einen immer ein! 😉
Wir plauschten nett über Tätowierungen in Japan, darüber dass sie immer noch verrucht sind und mit Kriminellen assoziiert werden. In öffentlichen Bädern und Fitness-Studios sind sie gar verboten. Das Tätowieren selbst ist in Japan übrigens nicht verboten, anders als in Südkorea. Das öffentliche Interesse an einer Tattoo Convention ist in Japan jedenfalls recht klein, dementsprechend klein war auch die Convention. Auch die Regierung versucht wohl jedes Jahr aufs Neue, die Convention mit fadenscheinigen Gründen zu unterbinden.
Daher war eine Vielzahl der (ebenfalls überschaubaren) Besucher Ausländer. Aber die gelten in Japan sowieso als „anders“, und ihre „Macken“ werden eben toleriert. So zumeist auch Tätowierungen. Trotzdem habe ich mich damit bisher stark zurückgehalten, bin meist langärmlig unterwegs gewesen, auch aus Respekt vor den zahlreichen religiösen Stätten. Bei der Rücktour von der Convention habe ich dann einfach mal alle Vorbehalte fallen lassen und mich kurzärmlig in die Öffentlichkeit begeben.
Obwohl Japaner im Alltäglichen ja sehr zurückhaltend und emotionslos auftreten, habe ich doch viele ungläubige und interessierte Blicke geerntet. Die meisten Japaner fanden jedoch schnell wieder in ihre introvertierte, kühle Haltung zurück. Ich möchte nicht gegen Japaner pokern 😉
In der U-Bahn hat eine Japanerin versucht, mit dem Handy heimlich ein Foto zu machen, hat aber schnell weggezogen als ich hinschaute. Ein 6-Jähriger saß mit offenem Mund da und schaute meinen Arm an. Er versuchte sogar, seinen Vater darauf aufmerksam zu machen, doch der wollte es gekonnt in japanischer Emotionslosigkeit ignorieren. Der Junge ging sogar so weit, dass er dem Vater den Kopf in die „richtige“ Richtung zu verdrehen versuchte. Es half nicht, der Kopf war eingerastet.
Ich kam jedenfalls unbeschadet und guter Laune über die erstaunten Reaktionen wieder im Hostel an. Echt witzig, diese Japaner. Haben halt so ihre „Macken“ 😉
1 Kommentar
lede65 · 16. Oktober 2014 um 13:12
Ich würde ja gerne mal einen Flitzer in einem japanischen Fussballspiel erleben. Da rennt er dann so völlig nackig übers Feld, während die Zuschauer und Spieler mit hochroten Kopf in die andere Richtung schauen und so tun, als ob gar nichts wäre… xD