Ich habe Mitleid. Beim Frühstück sitzend fällt mir der vor sich hinpiepende Metalldetektor auf. Er tut treu seinen Dienst wenn jemand das Hotel betritt oder verlässt. Doch niemand beachtet ihn, nicht Mal der daneben postierte Sicherheitsmann. Er grüßt die Beanstandeten nur freundlich. Vielleicht sollte man statt des Piepens ein „Salam Aleikum“ abspielen. Dann würde man sich den „Sicherheitsmann“ sparen und der Metalldetektor würde sich nicht so überflüssig vorkommen.
Meine Aufmerksamkeit springt über zur säuselnden Musik, die im Frühstücksbereich zu hören ist. Anscheinend eine „Best of 80s“-CD, jedoch intoniert als Fahrstuhlmusik, mit Keyboard-Cembalo, synthetischer Violine und ohne Gesang. „What A Feeling“ klingt wie ein Menuett. Einige Gäste summen mit. Bei Stevie Wonder’s „I Just Call“ hängt die CD und geht in eine Endlosschleife über. „I just call to say … I just call to say … I just …“ singe ich leise aber textsicher mit. Niemand bemerkt die hängende CD.
Ich mache einen Tagesausflug nach Rabat. Casablanca ist nach 3 Tagen nicht mehr allzu spannend. Rabat ist die Hauptstadt Marokkos und mit dem Zug lediglich 1 Stunde entfernt. Zugfahren ist in Marokko bequem und günstig. Die Züge fahren stündlich oder zweistündlich zwischen den großen Städten.
Rabat ist eine Küstenstadt mit über 800 Jahren Geschichte. Ein Relikt der frühen Besiedlung ist die „Kasbah of the Udayas“, eine historische Stadt in der Stadt. Die Kasbah thront auf der Felsküste und wurde als Festungsstadt errichtet, ist somit umgeben von einer Stadtmauer. Grund für die Mauer war, dass nur ein paar hundert Meter gegenüber am anderen Flussufer die ehemalige Piratenstadt Sané liegt.
Die Kasbah hat verwinkelte und schmale Wege, eine schöne Stadtmauer und – der UNESCO sei Dank – nur wenige Geschäfte. Bereits am Eingang werde ich freundlich aber bestimmt von einem ca. 15-jährigen Jungen bedrängt, der sich als Führer anbietet. Er hat schon all die Tricks und offensichtlichen Schmeicheleien drauf, die ein guter Verkäufer braucht. Ich mag ihn nicht. Er führt mich herum. Ich ergebe mich meinem Touristen-Dasein.
Er zeigt mir allerhand Eingangstüren, über denen eine Jahreszahl eingraviert ist, zumeist aus dem 14. Jahrhundert. „Take a picture, if you want.“ Mein Fotoapparat verliert nach der fünften Tür seine Begeisterung. Er muss noch einige über sich ergehen lassen. Hier die Top 3 😉
Typisch an der Kasbah in Rabat ist der blau-weiße Anstrich. Mein Guide meint, das Blau hilft gegen Moskitos.
Der Turm der Kasbah ist leider geschlossen. An der Mauer wird gerade gebaut. Es ist halt Nebensaison. Ein paar schöne Fotos hab ich trotzdem machen können, auch vom inliegenden Andalusischen Garten.
Was gibt es in Rabat sonst noch zu sehen? Das Mausoleum von König Mohammed V …
… und in direkter Nähe eine nicht fertig gestellte Moschee aus dem 12. Jahrhundert. Nur der Turm der Moschee wurde begonnen, die Grundmauern sind nur zu erahnen.
Mehr nicht. Die Stadt ist wohl hauptsächlich ein Behörden- und Verwaltungssitz. Man sieht viele nette Häuser, nette Villen und nette Autos. Aber wenig Ansprechendes.
Etwas ernüchtert fahre ich zurück nach Casablanca. Rabat war kein allzu beeindruckendes Erlebnis. Als Entschädigung für euch gibt es noch 3 kleine Anekdoten:
Anekdote 1: Da ich Hunger habe, gehe ich in ein Cafe, dessen Reklame mir verschiedene Pizzen, Burger und Baguettes verspricht.
Ich: „Je veux manger un …“
Angestellter: „Non!“
Der Angestellte gibt mir den Tipp, die Straße runter in ein Restaurant zu gehen. Am frühen Nachmittag gibt’s in diesem Café anscheinend nur Getränke. Überhaupt gibt es viele viele Cafés in Marokko. Dass die sich alle halten können, wundert mich, denn die Leute blockieren den ganzen Nachmittag die Tische an der Straße, quatschen und nippen an ihrem Wasser oder Tee. Ist Wasser aufbrühen und verkaufen wirklich so ertragreich? Für den Erhalt von Cafés gibt es in Marokko bestimmt ein Förderprogramm. Ich gehe die Straße runter, um etwas zu essen zu finden.
Anekdote 2: Mitten im wuselnden, scheinbar ungeordneten Straßenverkehr stehend, werde ich häufig küchenphilosophisch. Ich versuche Gleichnisse zwischen den Regeln der Straße und denen des Lebens zu finden:
- Leben & Tod trennt manchmal nur ein Schritt.
- Manchmal muss man mit dem Fluss gehen, um über die Straße zu kommen.
- Gehst du allein, nimm ein dickes Fell mit, dann schaffst du es gelegentlich geradeaus durch einen sechsspurigen Kreisverkehr.
- Nicht an jeder Kreuzung steht eine Ampel und hilft dir über die Straße.
- Ein Zebrastreifen wird verschieden interpretiert oder gar ganz ignoriert.
- Bleibst du aus Angst stehen, kommst du nicht voran.
- Es gibt sehr viele zerbeutelte, abgenutzte Kleinwagen-Taxis, aber nur ein paar wenige frisch geputzte Audi A6.
- Viele äußern ihren Unmut durch lautstarkes Hupen, helfen tut es meist wenig.
… und was will ich euch damit jetzt sagen? Hmm, keine Ahnung. Wohl, dass mich die täglichen Nahtod-Erfahrungen in Casablancas Verkehr über das Leben sinnieren lassen.
Anekdote 3: Das Hotel und ich spielen seit 5 Tagen ein sich täglich wiederholendes Spiel. Ich beginne:
Ich „Je ne peux pas ouvre ma porte. La carte est deactivé.“ = „Ich kann meine (Zimmer-)Tür nicht öffnen. Die (Zugangs-)Karte ist deaktiviert.“
Rezeptionist: „Quel nombre?“ = „Welche (Zimmer-)Nummer?“
Ich: „Ähm, cinq … ähm cent … äh douze.“ = „fünf … hundert … zwölf“
Ich denke Sie wollen mir helfen Französisch zu lernen, insbesondere meine Schwachstelle: Zahlen. Also meine Zimmernummer hab ich jetzt schon perfekt drauf! Ich hoffe, sie ändert sich in den nächsten Wochen nicht …
Na? Immer noch Lust auf mehr? Dann kommen zum Schluss noch ein paar Katzenbilder. Die gehen immer:
8 Kommentare
mbe · 10. Januar 2017 um 16:02
Es fehlt Tag 4!!!
Da hast du bestimmt was total cooles erlebt und jetzt wissen wir nicht ….
Oder du hast doch noch etwas zu Islam-freundliches geschrieben und der Geheimdienst …
Oder das allseits bekannte Problem mit dem Raum-Zeit-Kontinuum …
mbe · 10. Januar 2017 um 16:02
Ich will mehr Katzenbilder :-)))
rori · 11. Januar 2017 um 11:25
Wenn ich zu jedem Tag was schreibe, komm ich gar nicht zum Erleben 🙂
Ich hinke ja jetzt schon 1 Woche mit Berichteschreiben hinterher.
Aber um dich zu beruhigen, hier der Bericht zu Tag 4:
Ruhetag.
cp · 11. Januar 2017 um 16:14
Wie wäre es mit diesem Gleichnis? Straßenverkehr ist wie Frogger: Wenn Du beim Spurwechsel nicht aufpasst, frisst Dich das Krokodil! 😉
rori · 12. Januar 2017 um 0:14
Merk ich mir. Der könnte gerade hier in Afrika lebensrettend sein 🙂
Eno Thiemann · 12. Januar 2017 um 9:00
Du hattest mich schon bei Deiner Philosophie über autoindizierten Selbstmord, dann bei der sich mir stellenden Frage, ob es nicht (je ne peux pas) „ouvrir“ heißen muss, wegen des Infinitivs, aber spätestens bei den Katzenbildern… sehr gut! Ich komme wieder!
rori · 12. Januar 2017 um 20:19
Natürlich heißt es „ouvrir“. Aber „ouvre“ gibt dem Bild des hoffnungslos verlorenen Französisch-Lernenden einen authentischen Touch. Und es ist ja erst der Beginn des Spannungsbogens 😉
Eno Thiemann · 27. Januar 2017 um 18:59
Danke, das ist Labsal für die Seele; zu wissen, dass ich Dich aus dem Stand mit meinen bruchstückhaften und längst verschleppten Französischkenntnissen noch immer schlagen kann. Authentischer könnte es wirklich nicht sein, meinen herzlichen Glückwunsch dazu. So, dann lese ich mich mal durch fünfzig A4-Seiten Blogberichte Deinerseits *schwitz*.