Ich miete für heute ein Fahrrad. Mein Hotel hat jedoch nur Damenräder im Angebot – schwer, mit Korb am Lenker und mit dürftig funktionierenden Bremsen. Mein größtes Problem ist jedoch: Das Fahrrad ist viel zu klein für mich. Meine Knie stoßen häufig an den Lenker und sind auch sonst nicht glücklich über die stark angewinkelte Haltung.

Ich radle zum Fluss, will ein Ticket für die Fähre nach Bagan kaufen. Bagan soll in 2 Tagen meine nächste Haltestelle sein. Der unbequemste, langwierigste, aber auch schönste Weg dorthin führt mit der Fähre entlang des Irrawaddy-Flusses.

Ich stelle mein Rad ab und gehe hinunter zum Fluss, um ein paar Fotos zu schießen.

Zurück am Fahrrad stelle ich fest, dass ich keine Ahnung habe, wie ich das altmodische Rahmenschloss geöffnet bekomme, das ich vor ein paar Minuten so selbstsicher schloss. Es reagiert weder auf gutes Zureden, noch auf Logik oder Gewalt. Tja, meinen Computer kann ich im Schlaf bedienen, aber ich scheitere an dieser simplen Mechanik. Letztlich kommen mir ein Junge und seine Mutter zu Hilfe und lüften das Geheimnis. Ich bedanke mich mit einem verlegenen Lächeln.

Beim Kauf des Fährtickets bin ich wohl ebenfalls auf Hilfe angewiesen. Eine Fähranlegestelle suche ich vergebens, einen Verkaufsstand ebenso. Nachdem ich eine halbe Stunde am Irrawaddy entlang irre, hält ein Moped-Taxi neben mir. Der Fahrer spricht mich in gebrochenem Englisch an. Ich mache ihm mein Anliegen klar. Er weist mich an, ihm zu folgen.

Mein unmotorisiertes Gefährt folgt seinem motorisierten Gefährt über mehrere Straßenblöcke stadteinwärts bis vor ein unscheinbares Haus. Nach einem Ticketschalter sieht das nicht aus. Eher nach einem Wohnhaus.

Im Haus werde ich einer älteren Frau gegenübergesetzt. Die Dame redet nicht, wirkt gar etwas genervt. Mein moped-ierter Begleiter redet freundlich auf sie ein. Er organisiert meinen Ticketkauf … vermute ich. Hilf- und ahnungslos darf ich meinen Reisepass hergeben, danach 12€. Nach kurzem bürokratischen Intermezzo halte ich tatsächlich ein Ticket in Händen. Wenn ich jetzt noch wüsste, wo die Fähre ablegt?!

Aber mein Begleiter ist clever und schwatzt mir gleich die Fahrt dorthin auf. Hm, warum nicht. Bisher hat er sich als vertrauenswürdig erwiesen. Wir verabreden uns. Erst im Nachhinein wird mir klar, dass ich die 3km vom Hotel bis zum Fluss auf dem Rücksitz eines Moped verbringen werde – mit 2 vollen Rucksäcken. Na, wird schon.

Das Fahrrad habe ich jedoch nicht allein für den Ausflug an den Fluss gemietet. Ich begebe mich auf eine Sightseeing-Tour südlich in und um Mandalay.

Ich beginne mit dem Jade Market. Hier werden Jade-Steine geschliffen und verkauft:

Hier ein Bild aus der Kategorie „Finde den Fehler“:

Nur wenige hundert Meter entfernt liegt die Mahamuni-Pagode:

An dieser Stelle müsste ich eigentlich einen historisch oder religiös bedeutenden Fakt über die Pagode schlaumeiern. Doch der wichtigste Fakt, der mir einfällt: Das ist meine erste Pagode mit WLAN! Und dann auch noch mit unbeschränktem Internetzugang! Wahnsinn! 🙂

Meine kleine Radtour setze ich fort mit Ziel U-Bein-Brücke. Sie ist die längste aus Teakholz bestehende Brücke der Welt.

Die Brücke liegt 11km südlich vom Stadtkern, in dörflicher Idylle. Fahrräder sind hier eher selten unterwegs – erst recht nicht aus der Stadt kommend und mit einem überdimensionierten Touristen bestückt. Ich werde noch ungläubiger angeschaut als ohnehin schon.

Die Brücke überquere ich zu Fuß. Auf der Brücke halten mich 3 myanmarische Teenager-Mädels abrupt an und kichern schüchtern. Ich dachte erst, ich soll sie fotografieren, doch sie wollen ein Foto mit mir. Ich weiß nicht genau, ob sie von meinem europäischen Aussehen fasziniert sind, von meinen Tätowierungen oder von meiner Körpergröße. Vielleicht auch alles zusammen. Wie sehr hätte sie wohl erst mein kleines Damenrad beeindruckt? 🙂 Geschmeichelt lasse ich die kurze Foto-Session über mich ergehen.

6km weiter südwestlich liegt Sagaing Hill, ein 240m hoher Berg umgeben von Pagoden.

Ich radle bis zum Fuß des Berges. Von dort aus steige ich die vielen Stufen nach oben. Da ich schon einige Fahrrad-Kilometer in den Beinen habe, ist der Aufstieg reichlich anstrengend. Ich schwitze am ganzen Körper. Endlich oben angekommen stelle ich fest: es gibt auch eine Straße nach oben … und Shuttle-Taxis, die den Touristen die lästigen Stufen ersparen. Aha.

Na egal. So habe ich mir die schöne Aussicht wenigstens verdient:

Ich mache mich auf den Rückweg. In einem Dorf zwischen Mandalay & Sagaing findet nahe der Straße ein Fußballspiel statt. Ich gönne mir eine Pause und mische mich unter die Zuschauer … was mir nur unwesentlich gelingt. Viele der zuschauenden Dorfbewohner starren mich an. Anscheinend bin ich interessanter als das Fußballspiel. Ich hoffe, sie halten mich nicht für einen Scout.

Einer der Zuschauer spricht mich an. Sein Englisch ist äußerst unverständlich, so dass ich auch bei der dritten Wiederholung nur einzelne Wörter erhasche. Er versucht trotzdem immer wieder ins Gespräch zu kommen und will herausfinden, was mich denn hier her treibt. Mir ist die ganze Situation peinlich. Ich bleibe ein paar Minuten und setze dann meine Radtour fort. Ich will den Fußballern ja nicht die Show stehlen.

Nach insgesamt 40 Kilometern komme ich wieder am Hotel an. Meine Knie schreien mich an. Als ich dem Portier erzähle, wohin mich meine Radtour geführt hat, lacht er und schüttelt den Kopf. Sowas Verrücktes macht hier sonst keiner. Ein Moped-Taxi wäre deutlich zeit- und kräftesparender gewesen. Aber dann hätte ich viele schöne Eindrücke verpasst:

Myanmar hat mich heute gefordert, mir aber umso mehr gegeben  … Jetzt freue ich mich allerdings auf eine heiße Dusche.


4 Kommentare

Anri65 · 26. März 2017 um 18:58

Hallo Robert,

hier war heute ja kein so schöner morgen (Zeitumstellung: Stunde geklaut)aber dann las ich beim Frühstück deinen Bericht über die Radtour und war super unterhalten.
Danke dafür, ich habe schön gelacht beim lesen.
Gestern lief hier im TV irgendwo E.T. und ich stellte mir vor, dass die Leute bei deinem Anblick auf dem viel zu kleinen Damenrad ähnlich reagierten wie Drew Barrymore als sie ET sah.

Ich gehe mal davon aus, dass es dir gesundheitlich auch wieder gut geht.
Ich bin ja jetzt schon sehr gespannt auf deinen Bericht von der Mopet-Taxifahrt und der Reise mit der Fähre.
LG Anke
Ach so, auch von deinem Vater und Olaf

    rori · 27. März 2017 um 17:16

    Zumindest haben die Leute nicht geschrien als sie mich sahen … aber stimmt, einen Korb hatte ich auch an meinem Fahrrad 🙂

    Gesundheitlich bin ich wieder voll da! Andernfalls hätte ich das Fahrrad wohl auf halber Strecke in den Graben geworfen und mir ein Taxi genommen.

    Grüße zurück!

Marcus · 27. März 2017 um 10:58

Ja, dieser Blog-Eintrag kommt auf jeden Fall in die Top-100-roris-Blogeinträge. 🙂
Weiter so. Echt spannend und unterhaltsam.
Danke.

Marcus

    rori · 27. März 2017 um 17:21

    Yes! Top 100! Bei 146 Artikeln sind das immerhin die besseren 2 Drittel.

    Danke für den Motivationsschub 😉

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