Nun ist es so weit. Ich gehe endlich wieder auf Reisen. Um 13:30h startet mein Flieger. Meine erste Station ist Casablanca, in Marokko. Warum wieso weshalb? Dazu später mehr.

Der Morgen folgt meiner Checkliste:

  • 6:30h aufstehen
  • letzte Reste einpacken (aufgeladenes Handy, Ladekabel)
  • Frühstücken
  • Kühlschrank leer räumen
  • Stromstecker und Hauptsicherung ziehen
  • Müll runterbringen
  • um 8h zum Bahnhof gehen

Im Zug nach Berlin sitzend stelle ich fest: ich bin reichlich müde … und nervös. Zum ersten Mal spüre ich die Reise-Nervosität. Zum ersten Mal war mir wirklich bewusst, dass ich den nächsten Monaten auf Reisen sein werde. Bisher hatte ich meine Reise sehr ruhig und unemotional vorbereitet, teils zu ruhig. Den Reisestart ließ ich lange offen, plante Flug und Unterkunft spontan, vor 2 Tagen. Bis 2 Uhr nachts habe ich in aller Ruhe meinen Rucksack gepackt, schaute nebenbei einen Film.

Nun jedoch treibt mich Nervosität um und stellt mich vor lauter Fragen:

  • Ist mein neuer Rucksack überhaupt geeignet? Bleiben die vielen Schnüre und Riemen nicht in den Gepäckförderbändern hängen?
  • Habe ich alles Überlebenswichtige eingepackt? Habe ich zu viel Gepäck dabei?
  • Wo ist am Berliner Hauptbahnhof die Haltestelle für den Bus nach Tegel?
  • Wie heißt die Währung in Marokko? Und wie ist der Umtauschkurs?

Ich weiß nicht mehr, ob ich bei meiner ersten Tour ebenso nervös war. Wenigstens hält mich die Nervosität wach.

Der magische Schalter in Tegel heißt übrigens B26, nicht 9 3/4. Dort kann man schon Stunden vor Abflug einchecken und Gepäck hinterlegen. Und es steht niemand an. Vorbei die Zeit, in der ich ewig den Airline-Schalter suchte und dann stundenlang anstand. Ob es wohl auf jedem Flughafen ein B26 gibt?

Flugkilometer: 505

Ab München darf mich eine andere Airline chauffieren. Der Flug ist gebucht, aber ein Ticket brauche ich noch. Hm, im Normalfall läuft das so ab:

  • Schritt 1: ich gehe zum Schalter, checke ein, bekomme ein Ticket
  • Schritt 2: ich gehe zur Gepäckkontrolle, komme bei Erfolg in den Sicherheitsbereich
  • Schritt 3: beim Boarding gehe ich zum Gate, das Personal scannt mein Ticket, ich betrete das Flugzeug

Nun bin ich aber schon im Sicherheitsbereich, jedoch ohne Ticket. Zu Schritt 1 komme ich nicht mehr, ohne einen umfänglichen Polizeieinsatz heraufzubeschwören. Ich entschließe mich, dem Algorithmus einen provisorischen Schritt 2,5 hinzuzufügen: Ich spreche das Boarding-Personal am Gate an, wenn es auftaucht.

1,5h später beneide ich die anderen um ihre griffbereiten Tickets. Denn ohne Ticket darf ich in den Geschäften nicht mal Wasser kaufen. Bis zum geplanten Abflug verbleibt nur noch eine halbe Stunde. Schritt 3 hätte bereits beginnen müssen. Am Gate-Schalter ist jedoch noch kein Personal erschienen. Das Telefon am Schalter klingelt seit 15 Minuten unaufhörlich. Meine Panik steigt. Mein Schritt 2,5 ist aus zeitlicher Sicht nun eher ein Schritt 2,99. Mein Mangel an Wasser verstärkt die Panik.

Nun endlich: Eine uniformierte Dame läuft gestresst, aber zielgerichtet auf den Gate-Schalter zu. Sie springt an das immer noch klingelnde Telefon. Ich stelle mich in ihre Nähe. Meine Panik verbergend warte ich auf die Beendigung ihres Gesprächs. Ich schildere ihr meinen sehnsüchtigen Ticket-Wunsch. Sie seufzt etwas von einem emotional anstrengenden Tag. Mit 2 Telefonhörern gleichzeitig versucht sie, mich und mein Gepäck noch in das Flugzeug zu jonglieren. Meine Panik ist nun verflogen … und vollends in ihrem Stress aufgegangen. Da ich jetzt Zeit für neue Aufgaben habe, versuche ich mich als Stress-Linderer. Ich vermittle Ruhe und heitere die vollkommen überspannte Schalter-Dame auf. Vielleicht sollte sie sich einfach mit ins Flugzeug setzen und 2 Wochen Urlaub machen.

Aber anscheinend waren meine Bemühungen erfolgreich. Die nun lächelnde Schalter-Dame gibt mir mein Ticket, mit kostenlosem Update für die 1. Klasse. Ich bin begeistert.

Im Flugzeug ganz allein in der ersten Reihe sitzend, fühle ich mich königlich. Ich genieße den 4-stündigen Flug nach Casablanca, mit Abendbrot, Kissen und jeder Menge Arm- und Beinfreiheit.

Zeitzone: Westeuropäische Zeit (WEZ) = MEZ – 1h
Flugkilometer: 2.777

Seit 1,5h schaue ich mir die Auswahl am Gepäcklaufband an. Für mich war bisher noch nichts Passendes dabei. Längst drehen die Koffer der nach mir gelandeten Fluggäste ihre Runden. An der Koffer-Theke befindet sich schon lange niemand mehr aus meinem Flieger. Dass ich überhaupt 1,5 Stunden Ruhe und Geduld aufbringe, müssen wohl Erste-Klasse-Nachwirkungen sein.

Langsam muss ich mich mit der Tatsache abfinden, dass mein Rucksack nicht mitflog. Wahrscheinlich ist er jetzt auf dem Weg nach Maui, lässt sich dort nieder, gründet eine Familie und lebt glücklich bis ans Ende seiner Tage. Mein spätes Einchecken sollte sich nun doch rächen.

Es ist Zeit für einen Notfallplan. Alles Wichtige habe ich in meinem Handgepäck-/Tagesrucksack: Geld, Kreditkarten, Laptop. Futsch sind: meine Klamotten, die 250 Dollar Rücklage und der Kulturbeutel samt Inhalt. All das muss ich nachkaufen oder zumindest für ein paar Tage überbrücken.

Aber ganz aufgeben will ich noch nicht. Ich gehe zum Infostand. Vor mir steht ein aufgebrachter Herr, der abwechselnd in sein Handy und in Richtung der entnervten Infostand-Dame schimpft. Neben ihm steht ein Wagen mit drei Koffern. Anscheinend ist er mit Farbe oder Form seiner Koffer nicht einverstanden. Trotz der starken Lautstärke kann ich sein Anliegen nicht verstehen. Mag vielleicht auch am Arabisch liegen. Im Gegensatz zu mir hat er aber immerhin Koffer.

Nach einer halben Stunde Warten bin ich an der Reihe mit Schimpfen. Ich beginne dezent, schildere mein Problem. Die Info-Dame versteht zum Glück Englisch. Ich allerdings ihres nicht. Sie beäugt Ticket und Gepäckschein. Entnervt aber mit dem Telefonhörer bewaffnet gibt sie den Anschein des Bemühens. Nach einigen Minuten winkt sie mich heran. Sie macht mir deutlich, dass sich mein Rucksack angefunden hat. Ich laufe schnell zum koffer- und menschenleeren Gepäcklaufband … nur ein einsamer Rucksack dreht seine Runden. Puh! Glück gehabt.

Mittlerweile ist es spät. Der Flughafen liegt 30km außerhalb. Ich nehme den vorletzten Zug nach Casablanca, um 22 Uhr. Wie ich lerne, beherbergt der kleine Regionalzug 4 Angestellte:

  • 1 Zugführer, der … den Zug führt
  • 1 Putzfrau, die in 40 Minuten mind. 3 Mal vorbeikommt und nach Dingen fragt, die sie wegwerfen darf. Der Zug ist trotzdem dreckig.
  • 1 unscheinbarer, hektisch durch den Zug laufender Typ, der unbedingt jeden Fahrschein unterschreiben will und
  • 1 Mann in Uniform, der bei der Abfahrt die Trillerpfeife bedienen darf.

Eine putzige Mischung.

In Casablanca angekommen, gönne ich mir eine kurze, aber teure Taxifahrt. Ich komme gegen 23:30 Uhr endlich in meinem Hotelzimmer an. Müde, aber glücklich. Mitsamt Gepäck.


1 Kommentar

mbe · 10. Januar 2017 um 15:22

ach ich mag deinen Humor …

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